Boese, Johannes (1856-1917), Mutterglück, um 1910

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Produktbeschreibung

Johannes Boese(1856 Ostrog - 1917 Berlin), Mutterglück , um 1910. Goldbraun patinierte Bronze auf gegossener rechteckiger Plinthe, montiert auf zweifarbigem Marmorsockel (9,5 cm Höhe), Gesamthöhe 61 cm, Maße der Bronze: 50,5 cm (Höhe) x 18 cm (Länge) x 11,5 cm (Breite), Gewicht 12 kg, auf der Plinthe mit „J.[ohannes] Boese“ signiert und mit „Berlin“ ortsbezeichnet.

- Patina vereinzelt etwas berieben und leicht fleckig, Plinthe und Marmorsockel mit wenigen bestoßenen Stellen, eine Ecke alt restauriert.


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- Die Ekstase mütterlicher Freude -


Hatte sich Johannes Boese vor allem der von staatlicher Seite in Auftrag gegebenen Monumentalplastik und repräsentativen Porträtdarstellungen gewidmet, veranschaulicht dieses Werk, dass der Künstler durchaus auch seinen eigenen Ideen folgte und, obwohl er bis zum Schluss dem von ihm mitgeprägten wilhelminischen Staatsstil folgte, sich auch vom Jugendstil inspirieren ließ.

Wir sehen eine ausschreitende Mutter, die voller Freude ihren Jungen in die Höhe hebt und beglückt in die Augen schaut. Das Kind erwidert den Blick mit derselben Innigkeit und streckt dabei eine Hand nach der Mutter aus. In den gespreizten Fingern zeigt sich das nicht erfüllte Verlangen, sie zu berühren und ihr dadurch ganz nahe zu sein. Mit seiner hohen Stirn und den breiten Wangenpartien wirkt der Junge wie ein säkularer Putto, was Boeses Herkunft aus dem wilhelminischen Barock verrät und der Darstellung eine allegorische Dimension verleiht. Mit der anderen Hand umklammert der Junge eine Puppe, was ihn durch und durch menschlich erscheinen lässt. Die ganz natürlich wirkenden Strampelbewegungen veranschaulichen ihn geradewegs als Inbegriff des kindlichen Kindes.

Das Antlitz der Mutter weist mit der gelängt-geraden Nase antikisierende Züge auf, während ihr Körper in antiker Nacktheit vor Augen steht, was der Skulptur auch von der Darstellung der Mutter her eine allegorische Dimension verleiht. Der Kontrapost der klassischen Skulptur mit seinem Stand- und Spielbein ist allerdings zum Ausschreiten geworden. Der in sich ruhenden Körper ist in eine beinahe stürmische Bewegung versetzt, die von einer inneren Bewegung getragen wird.

Die Skulptur erzählt eine Geschichte, deren Höhepunkt hier vor Augen steht: Die Mutter hat ihren Jungen von Weitem erblickt, ist auf ihn zugestürmt und hat in voller Freude und mütterlichem Stolz in den Himmel gehoben, während der Sohn von dem Gefühl erfüllt wird, endlich wieder bei seiner Mutter zu sein, die er ebenfalls liebkosen möchte.

Ist das Bild der Mutterschaft nicht zuletzt durch Maria mit dem Christuskind geprägt, so schafft Boese hier ein Bild der zur Mütterlichkeit gehörenden Freude, die gradewegs ekstatisch-tänzerische Züge annimmt, als ob die Mutter vor Glück einen im gezeigten Moment kulminierenden Freudentanz vollführen würde. Durch den Nachvollzug der verschiedenartigen Ansichten der Bronzeplastik wird die tänzerisch-ekstatische Bewegung vom Betrachter immer wieder neu initiiert.

Die Schönheit des naturalistisch herausmodellierten weiblichen Körpers strahlt das Mutterglück ab, das durch die goldfarbene Patina geradewegs zum Aufleuchten gebracht wird. Dabei geht der Eros ihrer nackten Schönheit ganz in der sie erfüllenden Freude über die Frucht ihres Leibes auf.



zum Künstler

Nach einer Ausbildung als Holzbildschnitzer besuchte Johannes Boese zunächst die Kunstgewerbeschule in Gleiwitz. Seinem eigentlichen Talent als Bildhauer folgend, ging er 1877 an die Berliner Kunstakademie und studierte dort bis 1883 bei Fritz Schaper und Albert Wolff, dessen Meisterschüler er wurde. Wolff gehörte zu den führenden Künstlern der von Johann Gottfried Schadow und seinem Schüler Christian Daniel Rauch begründeten Berliner Bildhauerschule.

Mit dem 1883 geschaffenen Werk Narcissus , das 1888 auf der Weltausstellung in Melbourne ausgezeichnet wurde, fand Boese erste Anerkennung. Es folgten größere Aufträge wie das 1885 entstandene Relief, „Empfang der Hugenotten durch den Großen Kurfürsten“, am Französischen Dom auf dem Gendarmenmarkt. 1887 schuf er mit Unterstützung einer Leselupe die in Bronze gegossene Statuette des Kaisers Wilhelms I., die von Wilhelm II. gleich in mehreren Exemplaren erworben wurde und Boese zu einem der Lieblingskünstler des Kaisers hat werden lassen, was ihm zahlreiche Staatsaufträge einbrachte. So durfte er, ohne am Bewerbungsverfahren teilnehmen zu müssen, die vierte Denkmalgruppe für die damals hoch renommierte Berliner Siegesallee schaffen. Sein 1898 vollendetes Standbild Albrechts II. in Begleitung von Eike von Repgow, dem Verfasser des Sachsenspiegels, und Hermann von Salza, dem bedeutendsten Hochmeister des Deutschen Ordens, ließ Boese zu einem der gefragtesten Staatskünstler werden. In der Folge schuf er vor allem Monumentalplastiken, die Potentaten des Herrscherhauses darstellten. Für sein 1902 in Posen errichtetes Denkmal Kaiser Friedrichs III. wurde Boese zum Professor an der Berliner Kunstakademie ernannt. Einer seiner Schüler war Georg Meyer-Steglitz, der ebenfalls Monumentalwerke schuf, die heute allerdings weitgehend verloren sind.

Boese, Johannes (1856-1917), Mutterglück, um 1910