Denner, Balthasar (1685-1749), Maria Magdalena.
Balthasar Denner(1685 Hamburg - 1749 Rostock). Maria Magdalena. Öl auf Kupfer, 37 × 32 cm (Innenmaß), 45 x 40 cm (Rahmen), links mittig signiert und undeutlich datiert "Denner 17(...)".
- Der Glaube wandelt die innere in äußere Schönheit und bezwingt den Tod -
Der für seine veristisch-detailprägnanten Porträts bekannte Balthasar Denner stellt sich hier der künstlerischen Herausforderung, ein weibliches Idealporträt zu schaffen. Dabei besteht die Schwierigkeit darin, die Physiognomie auf eine ausdrucksstarke Individualität hin durchzubilden, ohne dazu eine Vielfalt an einzelnen Phänomen herauszuarbeiten, die den idealen Aspekt des Antlitzes verdecken würden. Dementsprechend hat Denner die Besonderheiten des Gesichtes wie die Kinnpartie, die Augenhöhlen oder die Nasenflügel nur soweit ausformuliert, dass die insbesondere vom Inkarnat getragene Idealität der durch ihre Buße innerlich gereinigten Maria Magdalena nicht eingetrübt erscheint. Unterstützt wird der Eindruck unbefleckter Reinheit durch die Technik der Malerei auf Kupfer, welche den Farben - insbesondere dem Inkarnat - die Kostbarkeit eines transluziden porzellanartigen Schmelzes verleiht. Eine Verklärung der Farben, die hier - auf den Gehalt der Darstellung bezogen - im Glanz der Augen Maria Magdalenas kulminiert. Ihre Ergriffenheit, von der neben dem Blick auch der leicht geöffnete Mund zeugt, tut sich nicht in ekstatischen Bewegungen kund, sondern versetzt ihre beinahe statuarische Haltung in eine innere Bewegung: Die wie freischwebend wirkenden schräg gestellten Arme korrespondieren mit dem in die Gegenrichtung geneigten Kopf, wodurch die Figur in eine über den vom Bildrahmen markierten diesseitigen Bereich hinausführende Auffahrtsbewegung versetzt wird. Die innere Bewegtheit Maria Magdalenas wird zusätzlich durch das bräunliche, ihrem Antlitz als Fond dienende Tuch verstärkt, das sie von hinten zu umgreifen scheint und dem Schwung ihres dunklen Haares entspricht.
Der zur Verklärung führende Weg wird auch auf der Ebene der Farben veranschaulicht: Das lichte, hellblaue Gewand der Porträtierten weist einen roten Innenstoff und damit die marianischen Farben auf, wodurch Maria Magdalena als Nachfolgerin Marias veranschaulicht wird. Zugleich stehen die zarten Farben ihres Gewandes, einschließlich des Braungelbs der Hintergrunddraperie, im Kontrast zum tiefen Rot des Tuches, auf dem der Totenschädel liegt und das zusammen mit dem Schädel an Passion und Vergänglichkeit gemahnt. Von hier aus offenbart sich der eigentliche Sinn von Maria Magdalenas idealem Antlitz: Durch ihre Hinwendung zu Gott überwindet die ehemalige Sünderin den im Schatten versinkenden Totenschädel und erlangt ein sie bereits diesseitig erfüllendes neues Leben.
"Manchen Bildnisse Denners haben geradezu etwas Träumerisches"
Alfred Lichtwark
Im Hamburgischen Künstler-Lexikon
von 1854 (Bd. I, S. 49) findet sich folgender Verweis zu dem hier angebotenem Bild: "In der bekannten Sammlung des Domherrn Hasperg in Hamburg befand sich eine Magdalena von seiner Hand". Und auch in der Allgemeinen Deutschen Biographie
wird das Bild eigens erwähnt: "Auch im historischen Fache wagte D[enner] in seiner früheren Zeit einige Anläufe, so werden eine hl. Magdalena, eine Putiphar und eine aus dem Bad steigende Nymphe erwähnt; noch 1731 entstand ein hl. Hieronymus (Dresdener Museum)".
Das Gemälde wird von Ute Mannhardt M.A. in das in Vorbereitung befindliche Werkverzeichnis zu Balthasar Denner aufgenommen.
zum Künstler
Selbstporträt von Balthasar Denner, 1718
Infolge eines Unfalls, der eine bleibende Gehbehinderung nach sich zog, begann der achtjährige Denner mit Zeichenübungen. Dabei wurde er von dem holländischen Maler Franz van Amama angeleitet. Nach dem Umzug der Familie nach Danzig, wo der Vater als mennonitischer Pastor tätig war, erlernte Balthasar Denner die Anfangsgründe der Ölmalerei. Nach einer von 1701 bis 1707 währenden Tätigkeit im Hamburger Handelskontor seines Onkels, ließ man Denner, der jede freie Stunde zum Malen nutze, 1707 auf die kurz zuvor gegründete Berliner Akademie gehen.
Mit dem 1709 angefertigten Bildnis des Herzogs Christian August von Holstein-Gottorp und dessen Schwester begann Denners glänzende Karriere als Porträtist. Der Herzog lud ihn auf das Schloss Gottdorf ein, wo er ein 21 Personen umfassendes Familienporträt malte. Nur unter Bitten ließ sich Peter der Große, als dieser Holstein in Besitz nahm, davon abbringen, das Werk nach Petersburg zu schaffen.
Wieder in Hamburg Altona ansässig begann eine ununterbrochene Kette an Porträtsaufträgen. Unter anderen malte Denner Friedrich IV. von Dänemark, von dem er 1717 nach Kopenhagen eingeladen wurde, wo sich Denner zehn Monate lang als Porträtist aufhielt. Weitere Stationen waren Wolfenbüttel und Hannover. Dort porträtierte er den englischen Adel, was eine Einladung nach London zur Folge hatte, wo die Ausstellung des Bildnisses einer alten Frau für großes Aufsehen sorgte. Das Gemälde wurde schließlich von dem begeisterten Karl VI. für die stattliche Summe von 4700 Gulden erworben. Der Wiener Monarch bewahrte das Bild in einem Kasten auf, dessen Schlüssel er stets bei sich trug, um das Gemälde einzig ausgewählten Personen zu zeigen. Zu seinen ausgeführten Bilder pflegte Denner teure verschließbare Rahmenkästchen aus feinen Hölzern anzufertigen, so dass die Betrachtung der wie lebendig wirkenden Porträtierten ein ganz besonderes Ereignis darstellte.
1728 kehrte Denner abermals nach Hamburg zurück, reiste aber dennoch weiterhin von Auftrag zu Auftrag. Er fuhr nach Dresden, um den König von Polen, August II., zu porträtieren, von dort 1730 nach Berlin, via Hamburg nach Amsterdam, wo er ein halbes Jahr Station machte, und wieder zurück nach Hamburg. An diesem Wanderleben eines der gefragtesten Porträtisten seiner Zeit sollte sich nichts ändern. Zu den höchsten noch folgenden Aufträgen zählten die Porträts des dänischen Königs Christian VI., des russischen Zaren Peter III. und des schwedischen Königs Adolf Friedrich. Nachdem sich Denner schließlich in Braunschweig aufgehalten hatte, um die Mitglieder des mecklenburgischen Hofes zu porträtieren, steuerte er im Auftrag des Herzogs Christian Ludwig II. von Mecklenburg-Schwerin mit Schwerin und Rostock seine letzten Stationen an.
Die Porträts Denners kursierten an den Höfen ganz Europas und wurden vielfach druckgrafisch umgesetzt. 1739 wurde ihm in Braunschweig eine Ehrenmedaille gewidmet, die auf der Vorderseite die Umschrift ziert: "Balth. Denner Hamb. Pict. in suo genere unicus". Heinrich Brockes, dessen Kinder Denner porträtiert hatte, besang seine Kunst in mehreren Gedichten.
Auf seine große zeitgenössische Wertschätzung folgte eine Phase der Abwertung: Die Porträts Balthasar Denners wurden in der Kunsttheorie des späteren 18. Jahrhunderts zum Negativbeispiel einer bloß penibel abbildenden Malerei, die daher geistlos und unkünstlerisch sei. Dies führte zur allgemeinen Vergessenheit von Denners großartigen Charakterisierungsleistungen, die in ihrer überzeugenden Detailprägnanz mit den Porträts eines Dürers wetteifern.
"Denner war unstreitig einer der grössten Portraitmaler; seine Bildnisse hatten nicht nur das Verdienst einer trefflichen Aehnlichkeit, sondern waren von einer meisterhaften Ausführung; selten findet man ein so schönes durchsichtiges Fleisch, zu dessen Hervorbringung er sich eines Lacks bedient haben soll, den er selbst bereitete und dessen Zusammensetzung er geheim hielt."
Hamburgisches Künstler-Lexikon
"In seiner Bildniskunst [...] zeigt Denner eine sehr beachtliche malerische Erfahrung und hohes psychologisches Einfühlungsvermögen."
Horst Appuhn in der Neuen Deutschen Biographie
Auswahl an Orten, die in öffentlichen Sammlungen Werke von Balthasar Denner besitzen
Amsterdam, Berlin, Braunschweig, Bremen, Breslau, Dresden, Hamburg, Kiel, Kopenhagen, Lübeck, München, Paris, Riga, Schwerin, Stuttgart, Sankt Petersburg, Wien, Wolfenbüttel.
Auswahlbibliographie
Jakob Campo Weyerman: Denner, Levens-Beschryvingen der Nederlandsche Konstschilders. Dordrecht, 1769, S. 89–92.
Hamburgisches Künstler-Lexikon. Bearb. von einem Ausschusse des Vereins für Hamburgische Geschichte, Hamburg, 1854, S. 43-51.
Heinz Mansfeld: Malerei des 18. Jahrhunderts im Staatlichen Museum Schwerin, Schwerin 1954.
Gerhard Gerkens (Hg.): Balthasar Denner 1685 - 1749. Franz Werner Tamm 1658 - 1724. 20. Ausstellung im BAT-Haus zur Jahrhundertfeier der Hamburger Kunsthalle, Hamburg 1969.
Helmut R. Leppien: Der Bildnismaler Balthasar Denner. In: Die Kunst des protestantischen Barock in Hamburg. Hrsg. v. Volker Plagemann, Hamburg 2001, S. 178-187.
Daniel Spanke: Porträt - Ikone - Kunst. München 2004.