Eglau, Otto (1917-1988), Floßlandschaft in Schweden, 1956
Otto Eglau(1917 Berlin – 1988 Kampen), Floßlandschaft in Schweden , 1956. Aquarell und Tusche auf Papier, 45 x 60 cm, unten rechts eigenhändig in Blei mit „Eglau“ signiert und mit „[19]56“ datiert.
- etwas nachgedunkelt
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- Temporäre Strukturen -
Vor uns erstreckt sich eine weite Flusslandschaft, deren Horizontline im oberen Bereich des Bildes verläuft, wodurch der Eindruck einer enormen Tiefenerstreckung entsteht. Die Tiefe wird von den dunklen, zumeist ins Bild hineinfluchtenden Baumstämmen zusätzlich geweitet und – durch ihre verschiedenartigen Lagen – dabei zugleich rhythmisiert. Durch diese Bewegungsabfolge weist die Landschaft ein starkes dynamisches Moment auf. Und tatsächlich stellt sich der Eindruck ein, als ob die Landschaft unter uns ‚hinwegfluchten‘ würde. Den Blick einzig im Vordergrund zu halten, verlangt regelrecht eine visuelle Anstrengung. Auf den Vordergrund schauend sind wir bereits im Hintergrund angelangt. Daher kann gar nicht von Bildgründen im klassischen Sinne gesprochen werden. Vielmehr steht hier ein strukturell rhythmisiertes Raumkontinuum vor Augen, dessen Dynamik von den angeschnittenen Baumstämmen vorne und den als Zielmarken fungierenden aufgerichteten Stämmen hinten zusätzlich beschleunigt wird.
Da der schmale Himmelstreifen dieselbe Weißtonalität wie die Wasserlandschaft aufweist, fügt sich auch dieser Bereich bruchlos in das Raumgefüge ein, so dass sich vor uns eine menschenleere ‚Strukturlandschaft‘ ausbreitet. Die Struktur ist aber nicht – wie dies bei Piet Mondrian der Fall ist – gänzlich abstrakt und dadurch etwas eigenständig für sich Bestehendes, das der Zeit des Naturraums enthoben ist. Die von Otto Eglau in der Natur entdecken Strukturen bleiben an diese zurückgebunden, weshalb sie eine dem ‚Lauf der Dinge‘ entsprechende Temporalität aufweisen. Auch wenn sie einer zur Darstellung gebrachten Architektur der Natur entsprechen, sind die Strukturen nichts Substanzielles, sondern kontingent. Künstlerisch aufgedeckt, bieten sie sich Eglau in eben jenem Moment dar, den er festhält. In der Natur selbst werden diese Strukturen niemals in derselben Art wiederkehren. Panta rhei – alles fließt, auch wenn sich der Fluss der Zeit durch seine künstlerische Darstellung verfestigt hat, wodurch das Bild – trotz aller Dynamik – zugleich auch Ruhe ausstrahlt.
„Die Strukturen, die ich hinter die Dinge setze, und die Linien, die meine Bilder halten, sind Zeichen des vergänglichen Lebens. Sie sind zufällig wie die Spur, die eine Welle im Sand hinterlässt, unscharf wie die Grenze zwischen Meer und Land, vergänglich wie das Leben einer Muschel, die ich in der Hand halte.“
- Otto Eglau
zum Künstler
Nach seiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft 1947 nahm Otto Eglau ein Studium an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin auf. Dort war wer Schüler von Oskar Nerlinger, Max Kaus und Wolf Hoffmann. Ab 1953 unterrichtete er freies Zeichnen für Architekten an der Technischen Universität Berlin. In den Folgejahren unternahm Eglau zahlreiche Studienreisen, die ihn nach Skandinavien, in den arabischen Raum, nach Fernost und bis nach Macau führten. Auf diesen Fahrten kultivierte er die Technik des Aquarellierens, die eine zügige Bildschöpfung im Freiraum erlaubt und dennoch eine stark malerische Qualität aufweist.
Stipendien ermöglichten es Eglau, sich von 1962 bis 1963 in Japan aufzuhalten und 1970 länger in Neapel zu verweilen. Von 1969 bis 1976 hatte Eglau die Professur für Radierung an der Internationalen Sommerakademie für Bildende Kunst in Salzburg inne. Zwischen 1983 und 1988 war Eglau parallel in seinem Berliner Atelier am Lietzensee, das über eine eigene Grafikpresse verfügte, und seinem Atelier in Kampen auf Sylt tätig.
Otto Eglaus Werk wurde weltweit in über 100 Einzelausstellungen präsentiert und war darüber hinaus in mehr als 120 Gruppenausstellungen vertreten.
"Ich liebe die Weite der Insel. Das Watt vor Kampen ist meine Fundgrube, hier entdecke ich jeden Tag neue Formen und Farben. Ohne Sylt wäre ich wie ein Fisch ohne Wasser."
- Otto Eglau
Auswahlbibliographie
Hanns Theodor Flemming: Otto Eglau. Das graphische Werk, Flensburg 1966.
Heinrich Seemann (Einführung): Otto Eglau. Inselskizzen, Hamburg 1982.
Heinrich Seemann (Einführung): Otto Eglau. Japan, Nepal, Sylt. Aquarelle. Zeichen und Strukturen. Einführung von Heinrich Seemann, Hamburg 1986.
Otto Eglau: Watt-Tagebuch. Ausgewählte Aquarelle aus den Skizzenbüchern Otto Eglaus. Kampen 1996.