Herrmann, Paul (1864-1946), Nächtliche Entführung in Venedig, 1934
Paul Herrmann(1864 München - 1946 Berlin), Nächtliche Entführung in Venedig , 1934. Aquatinta-Radierung auf Papier mit Wasserzeichen, 37,5 cm x 29 cm (Plattengröße), 53 cm x 42 cm (Blattgröße), links unten im Druck signiert.
- der breite Rand mit kleinen Einrissen, Knickspuren und nachgedunkelt, die Darstellung druckbedingt etwas gewellt, rückseitig leicht stockfleckig
- Der Weg der Unschuld -
In der Dunkelheit der Nacht zerrt eine schwarzgekleidete Gestalt eine junge Frau aus einem Haus, während der Komplize in der Gondel einen behelfsmäßigen Steg ans Ufer legt, um eine schnelle unerkannte Flucht zu ermöglichen. Die Szenerie wird von einer hellen Lampe erleuchtet, die die junge Frau ins Licht taucht, die dadurch ihrerseits zur Lichtgestalt wird und die unberührte Unschuld versinnbildlicht. Sie scheint widerstrebend und doch willig mitzugehen, was die Imagination zu einer gleichermaßen unheimlichen wie amourösen Geschichte ausmalt. Zugleich ist die Darstellung eine Metapher für die nächtlichen Grenzüberschreitungen der der Begierde.
zum Künstler
Paul Herrmann war der Neffe des Schriftstellers Paul Heye. Nach einem ersten Unterricht in der Münchner Malschule von Max Ebersberger war Hermann ab 1880 zunächst als Restaurator für Fresken und Panoramamaler tätig. Nach einem Studium an der Münchener Akademie und der Kunstgewerbeschule ging er nach Chicago und wirkte bei der Gestaltung der Fresken für die Weltausstellung von 1893 mit. 1895 zog er nach Paris, wo er für die Satirezeitschrift ‚Le Rire‘ als Karikaturist tätig war und sich den Namen ‚Henri Héran‘ zulegte. In Paris lernte er Henri de Toulouse-Lautrec kennen und schloss mit Edvard Munch, August Strindberg und Oscar Wilde Freundschaft. Munch porträtiert ihn und Herrmann stand ihm zudem mehrfach Modell. 1906 ging Herrman nach Berlin und führte dort die Fresken des Hotels Adlon und anderer prestigeträchtiger Gebäude aus. Vor allem war Herrmann inzwischen aber als Grafiker tätig. Zu seinem 50. Geburtstag veröffentlichte Hans Wolfgang Singer ein 183 Blätter umfassendes Werkverzeichnis. Im selben Jahr wurde ihm auf der Leipziger Weltausstellung für Buchgewerbe und Graphik die Goldene Medaille verliehen. Er experimentierte mit verschiedensten druckgraphischen Techniken, darunter Sandgebläse, Schabkunst auf Zink und Vernismou. Für die Zeitschriften ‚Le Centaure‘ und den ‚Pan‘ kombinierte er den Holzschnitt mit dem Steindruck. Später wurden die Kaltnadelradierung und die Schabkunst auf Nickelzinn seine bevorzugten Techniken. Zur Zeit des Nationalsozialismus war Herrmann Mitglied der Reichskammer der bildenden Künste und an den Großen Deutsche Kunstausstellungen 1937 und 1940 bis 1944 beteiligt. Zudem arbeitete er für Albert Speer, der 1944 erwirkte, dass Herrmann auf die Gottbegnadeten-Liste gesetzt und damit vom Kriegsdienst freigestellt wurde.