Kaesbach, Rudolf (1873-1955), Waldidyll, um 1915
Rudolf Kaesbach(1873 Gladbach - 1955 Berlin), Waldidyll , um 1915. Gold und goldbraun patinierte Bronze mit gegossener Plinthe, auf einem Marmorsockel montiert (5 cm Höhe), Gesamthöhe 36 cm, Maße der Bronze: 31 cm (Höhe) x 17 cm (Länge) x 12 cm (Breite). Gewicht 4,6 kg, auf der Plinthe mit „R.[udolf] KAESBACH“ signiert.
- vereinzele beriebene Stellen, insgesamt in einem altersgemäß ausgezeichneten Zustand
- Seelenverwandtschaft -
Die Bronzeplastik veranschaulicht eine junge Frau im innigen Austausch mit einem sie begleitenden Reh. Das Tier hält inne, um sich zu ihr hochzuwenden, während die nackte Schönheit ihren Schritt verlangsamt, um dem Reh ebenfalls in die Augen zu schauen und es zärtlich mit der Hand zu liebkosen. Die Frau und das Reh sind in einem inneren Gleichklang. Auch wenn ihre Lippen unbewegt bleiben, spricht sie die Sprache des Tieres, mit dem sie auf eine tief empfundene Weise verbunden ist.
Die im Kontrast zur naturalistischeren Einfärbung des Rehs aufstrahlende goldfarbene Patina lässt die junge Frau wie eine Heilige erscheinen, auch wenn sich nicht als Heilige identifizierbar ist. Zugleich ruft sie Erinnerungen an die Jagdgöttin Diana oder eine Nymphe hervor. Dafür fehlt ihr allerdings die Wildheit. In ihrer unschuldigen Naivität gemahnt sie vielmehr an eine Vestalin, die freilich nicht in der Waldeinsamkeit zu Hause ist. Und doch wirkt die sich unbekleidet im Herzen der Natur bewegende junge Schönheit wie eine Priesterin, die sich mit hochgebundenem Haar und der vorsichtig getragenen Schale und dem Wege zu einem Heiligen Hain befindet.
Um die gennannten Assoziationen zu eröffnen, hat Kaesbach die Frauenfigur bewusst so gestaltet, dass sie nicht als konkrete Person identifizierbar ist. Damit hat er eine für den Jugendstil charakteristische Allegorie natürlicher Weiblichkeit geschaffen, bei der das Reh weit mehr als ein Begleittier ist. Es weist dieselbe grazile Anmut wie die junge Frau auf und der innere Gleichklag der beiden lässt das Reh als ihr anderen Ich erscheinen. Es verkörpert – ins Animalische übertragen - ihr inneres Wesen, wodurch auch dem Reh ein allegorischer Charakter zukommt.
zum Künstler
Rudolf Kaesbach studierte an der Akademie Hanau Bildhauerei und war im Jahr 1900 in einer Pariser Bronzegießerei tätig. Um sich als eigenständiger Künstler betätigen zu können, eröffnete er in Düsseldorf eine Werkstatt, in der er Bronzen nach selbstentworfenen Modellen goss. 1902 debütierte er auf der Deutschen Nationalen Kunstaustellung in Düsseldorf. Im Folgejahr ging Kaesbach an die Akademie nach Brüssel. Dort wurde er von der zeitgenössischen belgischen Bildhauerei, insbesondere vom Werk Constantin Meuniers, inspiriert. Zurückgekehrt zog er nach Berlin, wo er im Villenviertel Grunewald ein Atelier eröffnete und sich neben dem Entwurf für Bronzen der lebensgroßen Marmorbildhauerei widmete. Ab 1911 präsentierte er seine Werke regelmäßig auf den Großen Berliner Kunstausstellungen, aber auch in Düsseldorf und Malmö. Zwischen 1936 und 1939 fertigte er zudem Modelle für die Porzellan-Manufaktur Rosenthal an. Von 1939 bis 1944 war Kaesbach in den Großen deutschen Kunstausstellungen in München vertreten.