Kiss, August (1802-1865), Kämpfende Amazone, um 1880
August Kiss(1802 Paprotzan - 1865 Berlin), Kämpfende Amazone , um 1880. Bronzierter Zinkguss auf naturalistischer Plinthe, 41 cm (Höhe), 45 cm (Länge), 30 cm (Tiefe), Gewicht 8,6 kg.
- Schweif neu fixiert, Speerspitze etwas verbogen, vereinzelte beriebene Stellen, an der das Zink hindurchschimmert. Insgesamt für die Zeit ausgezeichnet erhalten.
- Im Namen der Freiheit -
Ohne einen Auftrag dafür erhalten zu haben, begann August Kiss 1837 die künstlerische Idee seines Hauptwerks in Ton zu modellieren. 1839 schließlich hatte er die endgültige Form gefunden, deren Präsentation eine derartige Begeisterung auslöste, dass durch ein von Friedrich Wilhelm IV. mitgetragener Spendenaufruf die Mittel erbrachte, die Skulptur 1842 in monumentaler Ausführung von Christoph Heinrich Fischer gießen und 1843 prominent auf der linken Treppenwange des Alten Museums aufstellen zu lassen. Kurz zuvor hatte Kiss die Gruppe im Auftrag König Ludwigs I. von Bayern in Marmor ausgeführt. 1865 schuf eine weitere Version in Marmor, die sich im Kunstmuseum Antwerpen befindet.
Ein 1851 von der Berliner Gießerei Geiss geschaffener Galvanoabguss in Originalgröße wurde im selben Jahr auf der Londoner Weltausstellung mit dem Großen Preis ausgezeichnet und 1853 im New Yorker Crystal Palace präsentiert, womit August Kiss zu einem international gefragten Künstler wurde.
August Kiss ,
Kämpfende Amazone
vor dem Alten Museum
in Berlin, 1837-1843
Die – antiken Berichten entsprechend – barbusig und ohne Sattel reitende Amazone wird von einem mächtigen Panther angefallen, der sich im Hals des Pferdes verbeißt und mit den Krallen tiefe Wunden schlägt. Das Raubtier ist vom Jagdtrieb wie besessen, während sich das Pferd mit schreckgeweitetem Blick aufzubäumen versucht, um den Aggressor abzuschütteln, dem es jedoch gänzlich erlegen wäre, wenn die Amazone nicht furchtlos mit ihrem Speer den Angreifer abwehren würde. Selbst vom Furor einer nicht zu bändigenden Entschlossenheit gepackt, holt sie mit wehenden Haaren zum kraftvollen Todesstoß aus, der das Untier bezwingt.
Die gesamte Skulpturengruppe kündet bis in ihre Ausläufer hinein von den waltenden physischen und physischen Kräften. Der Schwanz des Panthers ist voller Energie eingerollt, während der Schweif des Pferdes bis ins Äußerste aufgerichtet ist. Selbst der große Zeh der Amazone ist abgespreizt und zeugt von ihrer schier übermenschlichen Anspannung. Dabei offenbart die Skulptur aus jedem Blickwinkel einen anderen Aspekt des Kampfes auf Leben und Tod – und dies in einer Detailfülle und Genauigkeit, die den vor Augen stehenden großformatigen Zinkguss als technische Meisterleistung ausweist.
Die Kämpfende Amazone ist eine Übertagung des Heiligen Georg im Kampf gegen den Drachen in die Ikonographie der Antike. Dass für Kiss auch der hoch zu Pferd kämpfende Georg ein wichtiges Sujet war, verdeutlicht sein 1855 für den Schlosshof geschaffener monumentaler Georg , der heute im Nikolaiviertel steht. Mit der Übertragung in die antike Ikonographie wird der christliche metaphysische Kampf des Guten gegen das Böse weit politischer. Dementsprechend trägt die Amazone eine phrygische Mütze, die seit der Französischen Revolution in der Annahme es handele sich um die Kopfbedeckung freigelassener Sklaven zum allgemeinen Freiheitssymbol geworden ist. Der Angriff des schwarzen und damit – im Gegensatz zum Löwen oder Tiger – für die dunklen Mächte einstehende Panther ist folglich zugleich ein Angriff auf den freiheitlichen preußischen Staat, in dem das Schloss als Residenz des Monarchen und das Museum als Bürgertempel eine Synthese bilden. Daher wurde Kiss‘ Werk auch durch eine von Friedrich Wilhelm IV. mitgetragene Spendenaktion Berliner Bürger finanziert.
Mit seiner die Dignität des Klassizismus eines Christian Daniel Rauch überwindenden Ausdruckskraft wirkte Die Kämpfende Amazone derart stilbildend, dass – ebenfalls durch Bürgerspenden ermöglicht – 1861 auf der gegenüberliegenden Treppenwange Albert Wolffs Löwenkämpfer zu Pferde errichtet wurde. Für die Freitreppe des Philadelphia Museum of Art ist das Skulpturenpaar 1929 in Bronze kopiert worden und flankiert auch dort den Museumzugang.
zum Künstler
August Kiss, Sohn eines Hütteninspektors, war von Anbeginn mit der Kunst des Metallgießens vertraut. Nach einer Lehrzeit in der Eisenhütte in Paprotzan und der Modellwerkstatt der Königlichen Eisengießerei in Gleiwitz, war er ab 1822 für die Berliner Königliche Eisengießerei tätig, welche die zunehmende Nachfrage des mit den Napoleonischen Kriegen aufgekommenen Eisenkunstgusses abdeckte. Selbst feinster Schmuck wurde in Eisen hergestellt, dessen schwarze Patina dem Metall eine elegante Erscheinung verlieh.
Parallel zu seiner Tätigkeit für die Gießerei studierte Kiss an der Kunstakademie und wurde ab 1825 zunächst Schüler und dann Mitarbeiter des seinerzeit bedeutendsten Bronzebildners und Mitbegründers der Berliner Bildhauerschule, Christian Daniel Rauch, dessen Hauptwerk das 1851 Unter den Linden errichtete monumentale Reiterstandbild Friedrichs des Großen ist. Zudem war auch für Christian Friedrich Tieck, einen weiteren Protagonisten der Berliner Bildhauerschule tätig. Bei den aus Eisenguss hergestellten Dioskuren , Castor und Pollux als Rossebändiger (1826-28), für das Dach des noch im Bau befindlichen Alten Museums (1825-30) hatte Kiss wesentlich bei der Schöpfung der Pferde mitgewirkt. Daraus ergab sich die Freundschaft mit dem Architekten des Alten Museum , Karl Friedrich Schinkel, mit dem Kiss mehrfach zusammenarbeitete. So erhielt er den Staatsauftrag für das heute zerstörte Tympanon von Schinkels Potsdamer Nikolaikirche (1833-35). Die Auftragsvergabe an den kaum dreißigjährigen Künstler von staatlicher Seite zeugt von der hohen Wertschätzung, die Kiss bereits genoss. Sein eigentlicher künstlerischer Durchbruch erfolgte jedoch mit der Kämpfenden Amazone , die 1843 auf der linken Treppenwange des Alten Museums aufgestellt wurde. Mit diesem Werk hatte er sich endgültig von der ruhevollen Dignität des Klassizismus Rauchs gelöst und eine eigene dramatische Stilsprache gefunden, die den Berliner Neo-Barock geprägt hat. Das durch Bürgerspenden realisierte Werk ließ Kiss zum international gefragten Künstler werden und brachte ihm den Ruf als bester Pferdedarsteller seiner Zeit ein.
In der Nachfolge der Amazone schuf er monumentale Reiterstandbilder von Friedrich dem Großen (1841, Breslau), Friedrich Wilhelm III. (1844, Königsberg / 1847, Breslau) und dem Heiligen Georg (1855, Nikolaiviertel Berlin). Für den Berliner Schlossbezirk fertige er zudem die Standbilder Wilhelm Beuths (1854-61, Schinkelplatz) und Hans Karl von Winterfeldts (1861, Zietenplatz) an.
Kiss war mit seiner Kunst zu Lebzeiten derart erfolgreich, dass er der Nationalgalerie 300.000 Mark für den Ankauf neuer Werke stiften konnte.
Auswahlbibliographie
Fabian Selle: Die Skulpturengruppe „Amazone“ vor dem Alten Museum in Berlin von August Kiss, 1837 - 1842, Saarbrücken 2009.