Orlik, Emil (1870-1932), Liebesszene unter einem Baum, 1912
Emil Orlik(1870 Prag - 1932 Berlin), Liebesszene unter einem Baum , 1912. Mischtechnik auf Papier, 14,5 cm x 25 cm (Blattgröße), 35,5 cm x 46 cm (Rahmen), unten rechts mit „ORLIK.“ signiert und auf „[19]12“ datiert. Mit Passepartout unter Glas gerahmt.
- Bild in sehr gutem Zustand, Rahmen mit leichteren Kratzern
- Am Busen von Mutter Natur -
Eine junge Frau mit Pagenschnitt lehnt mit dem Rücken an einem Baum, der auf diese Weise ihr zugeordnet ist, was zusätzlich durch die Farbe des Kleides unterstrichen wird, die der Borke des Baumes entspricht. Zugleich ist der Baum aber auch ein sie hervorhebender Rahmen, der ihre rosafarbene nackte Haut besonders zur Geltung bringt. Sie hat ihr transparentes Oberteil zur Hälfte abgestreift und ihre großen Brüste freigelegt. Sie werden von dem zwischen ihren nackten Beinen liegenden Mann geküsst, wobei der Mann zärtlich von der lächelnden Frau umarmt wird, während die ebenfalls für sie einstehenden Zweige seinen ganzen Körper umschließen.
In diesem für das Oeuvre Emil Orliks äußerst raren erotischen Sujet verleiht der Künstler der zeitgenössischen Liebesszene eine allegorische Tiefe, die eine Huldigung des Weiblichen ist. Die junge Frau wird zur Mutter Natur, die den Mann nähert, der sich dazu in ihren heiligen Hain begeben hat. Durch die virtuos gesetzten Strichlagen gelingt es Emil Orlik, der Szenerie eine intensive Lebendigkeitswirkung zu verleihen.
zum Künstler
In Prag aufgewachsen studierte Emil Orlik von 1889 bis 1891 in München an der Malschule von Heinrich Knirr und anschließend, von 1891 bis 1893, an der Münchner Kunstakademie. Von 1894 bis 1896 hielt sich Orlik wieder in Prag auf, leistete dort den einjährigen Militärdienst ab und freundete sich mit Reiner Maria Rilke an, der ihn zur Buchgestaltung inspirierte. 1896 ging Orlik abermals nach München, wo sich eine künstlerische Freundschaft mit Bernhard Pankok entwickelte. Im Folgejahr eröffnete Orlik ein Atelier in Prag, das er bis 1904 führte. 1898 unternahm er eine nahezu einjährige Studienreise nach England, Schottland, Holland, Belgien und Paris. 1904 wurde Orlik Lehrer am Wiener Kunstgewerbemuseum. Er war bereits seit 1899 Mitglied der Wiener Secession und veröffentlichte in der Jugendstilzeitschrift ‚Ver Sacrum‘. 1905 erfolgte der Ruf zum Professor an das Berliner Kunstgewerbemuseum, wo er als Nachfolger Otto Eckmanns bis zu seinem Todesjahr, 1932, die Graphiklasse leitete. Dort gehörten George Grosz, Hanna Höch und Karl Hubbuch zu seinen Schülern.
Im Jahre 1900 unternahm Orlik eine seine Kunst nachhaltig prägende einjährige Japanreise. Anschließend hielt er Vorträge über Japan, gab 1904 das Mappenwerk ‚Aus Japan‘ heraus und illustrierte von 1905 bis 1910 die sechsbändige Werkausgabe des in Japan ansässigen englischen Diplomaten Lafcadio Hearn. 1912 erfolgte die zweite Japanreise, die über Ägypten, Sudan, Ceylon, China und Korea führte. Die künstlerischen Eindrücke schlugen sich in den Mappenwerke ‚Reise nach Ägypten‘ (1921) und ‚Reise nach Japan‘ (1921) nieder. Auch die späten 20er Jahre waren von zahlreichen Reisen nach Amerika, Frankreich, Spanien, Italien und Jugoslawien geprägt.
Neben seiner künstlerischen Tätigkeit als Raumgestalter, zu denen auch Entwürfe für Kostüme und Bühnenbilder für das Deutsche Theater von Max Reinhardt gehören, war Orlik vor allem Grafiker und ein gefragter Porträtist. Er porträtierte unter anderen Gerhard Hauptmann, Henrik Ibsen, Bernhard Pankok, Gustav Mahler, Max Klinger, Rainer Maria Rilke, Ernst Barlach, Lovis Corinth, Otto Dix, Käthe Kollwitz, Max Slevogt, Franz Werfel, Rudolf Steiner, Thomas Mann, Albert Einstein, Franz Marc und Alfred Döblin. Seine Virtuosität als Porträtkünstler führte dazu, dass Orlik als Porträtist für die Friedenskonferenz in Brest-Litowsk engagiert wurde, woraus das Mappenwerk ‚Karikaturen aus Brest-Litowsk‘ (1918) hervorging.

