Thoma, Hans (1839-1924), Christus mit Dornenkrone, 1902
Hans Thoma(1839 Bernau - 1924 Karlsruhe), Christus mit Dornenkrone , 1902. Reliefplatte aus Messing in Niello-Technik mit erhabenen Partien, 38 cm x 40 cm. Rechts unten mit „hTh 1902" monogrammiert und datiert.
- Partiell etwas verfärbt, ansonsten in ausgezeichnetem Zustand
- Sehender Blick -
Christus blickt uns eindringlich an und zugleich durch uns hindurch. Die Dornenkrone und die Blutstropfen treten erhaben hervor, womit sich der Schmerz gleichsam materiell verfestigt und unmittelbar präsent wird. Mit dem Schmerz hat sich der Blick Christi transzendiert, so dass der menschgewordene Gott – seinem Vater gleich – nun alles zu sehen scheint. Dabei zeugt die Bannkraft des enigmatischen Blickes zugleich von seiner Wirkkraft. Bildfrontal en face dargestellt, bildet Christi Antlitz das vom nahezu quadratischen Format forcierte Zentrum des Bildes, von dem in alle Richtungen Strahlen des göttlichen Lichtes ausgehen, die das Messing in einen Goldgrund verwandeln. Christus gewinnt eine ikonenhafte Überzeitlichkeit, die sein Gesicht in ein Urbild seiner selbst wandelt, das durch die laufenden Blutstropfen und die an Albrecht Dürers Selbstbildnis als Christus gemahnenden filigranen, scheinbar greifbaren Kopf- und Barthaare jedoch ganz real gegenwärtig zu sein scheint.
Hans Thoma, für den die Revitalisierung der Sakralkunst ein ganz wesentliches Moment seines Schaffens gewesen ist, nimmt sich hier der wohl größten künstlerischen Herausforderung an, das Antlitz Christi darzustellen, das gleichermaßen göttlich wie menschlich ist und ihm gelingt es, beide Aspekte eindringlich präsent werden zu lassen.
Die Bildplatte ist im Zusammenhang von Hans Thomas Mitinitiation der Staatlichen Majolika Manufaktur Karlsruhe entstanden. Sie ist ein eigenständiges unikales Kunstwerk und zugleich das Urbild seiner kunsthandwerklichen Vervielfältigung. Die Reliefplatte zeugt zugleich von Hans Thomas Willen, immer neue künstlerische Medien zu erschießen und ihr Gestaltungspotenzial auszuschöpfen. Vor diesem Hintergrund ist die Reliefplatte eine Synthese von Skulptur und Druckgraphik.
zum Künstler
Nachdem er Lehren als Lithograph, Anstreicher und Uhrschildmaler abgebrochen hatte, bildete sich Hans Thoma autodidaktisch als Kunstmaler. Dies brachte ihm 1859 ein Stipendium für die Kunstschule in Karlsruhe ein, wo er Schüler von Wilhelm Schirmer und Ludwig Des Coudres wurde. Nach Abschluss des Studiums, 1866, hielt sich Thoma in Basel und Düsseldorf auf. Er lernte Otto Scholderer kennen, mit dem er 1868 nach Paris reiste. Dort beeindruckten ihn die Kunst Gustave Courbets und die Schule von Barbizon. Nach der Ablehnung seiner Werke im Karlsruher Kunstverein wurde Thoma 1870 in München ansässig, wo er dem Leibl-Kreis nahestand. In München arbeitete Wilhelm Trüber zeitweise in Thomas Atelier. 1874 erfolgte zusammen mit dem Maler Albert Lang die erster einer Reihe von Italienreisen, auf der er Hans von Marées und Adolph von Hildebrand kennenlernte und mit Arnold Böcklin Freundschaft schloss, dessen Kunst Thoma nachhaltig beeindruckte. Nach seiner Rückkehr nach München wurde Cella Berteneder Thomas Schülerin, die er 1877 ehelichte.
Auf Einladung des Kunstsammlers Charles Minoprio reiste Thoma 1879 nach England. Im Laufe der Jahre erwarb Minoprio mehr als 60 Ölbilder Thomas und veranstaltete 1884 die erste Auslandsausstellung seiner Kunst in Liverpool. Ab 1878 lebte Thoma in Frankfurt. Im Folgejahr zeigte der Frankfurter Kunstverein die erste Einzelausstellung seiner Werke. Nach einer Reise in die Niederlande zog Thoma 1899 nach Kronberg im Taunus, wo die Kronberger Malerkolonie ansässig war. Im selben Jahr wurde er zum Professor der Karlsruher Kunstschule und zum Direkter der Karlsruher Kunsthalle berufen. 1901 war Hans Thoma mit Wilhelm Süs Gründer der Großherzoglichen Majolika-Manufaktur Karlsruhe, für die er fortan Entwürfe lieferte.
Thoma stand nun auf dem Höhepunkt seines künstlerischen Ruhmes. Meyers Großes Konversations-Lexikon stellt in der 1909 erschienen Auflage fest, Thoma sei zu einem Lieblingsmaler des deutschen Volkes geworden. Anlässlich des 80. Geburtstags, 1919, organisierten Ernst Oppler und Lovis Corinth eine große Feierlichkeit. Nachdem Thoma verstorben war, widmete ihm die Berliner Nationalgalerie 1922 und die Basler Kunsthalle 1924 eine große Werkschau.

