Volkmann, Hans Richard von (1860-1927), Tonkrug auf einer Bank im Sonnenlicht, 1890
Hans Richard von Volkmann(1860 Halle (Saale) – 1927 ebd.), Tonkrug auf einer Bank im Sonnenlicht. Bleistift und Aquarell auf Papier, 20 x 26,7 cm (Sichtmaß), 37 x 45 cm (Rahmen), Datiert und monogrammiert unten links „Februar 1890 - HR. V. V.“
- Minimal nachgedunkelt. Hinter Glas im Passepartout gerahmt.
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- Das Wesen des Tonkrugs vom Sonnenlicht offenbart -
In der Technik seiner frühesten Jugendzeit – Bleistift und Aquarell – veranschaulicht Hans Richard von Volkmann ein Stillleben. Es ist aber kein herkömmliches Stillleben in einem Innenraum, sondern eine in der freien Natur angesiedelte Darstellung, die zudem im Freien und nicht im Atelier entstanden ist. Es handelt sich also um eine für von Volkmanns Oeuvre charakteristische Freilichtmalerei, die in der Malerkolonie Willingshausen geschaffen worden sein könnte, da die Freilichtmalerei dort programmatisch betrieben wurde und sich der Künstler in diesem Jahr dort aufgehalten hat.
Und tatsächlich steht mit diesem Bild ein Manifest der Freilichtmalerei vor Augen. Von Volkmann demonstriert, dass der Gang aus dem Atelier ins Licht der Natur zu einer ganz neuen Qualität der Kunst führt. Um diesen bildlichen Beweis anzutreten, stellt er den Bezug zum Genre des Stilllebens her, das als Ateliersujet schlechthin bezeichnet werden kann. Zudem spielt beim Stillleben klassischer Art das Licht eine ganz wesentliche Rolle. Es ist der eigentliche Akteur des Stilllebens. Und gerade diesen für das Stillleben wesentlichen Moment arbeitet von Volkmann heraus, um das Potenzial der Freilichtmalerei aufzuzeigen: Er präsentiert die Gegenstände, wie sie sich im Sonnenlicht darbieten. Die Datierung auf den Februar und die kahlen Äste im Vordergrund verdeutlichen, dass es sich um einen klaren Wintertag im strahlenden Sonnenlicht handelt. Das zierliche Gewächs im Vordergrund wirft ebenso wie der Krug einen klar konturierten Schlagschatten. Am deutlichsten ist der Schattenwurf aber am Krug selbst ausgeprägt: Die Unterseite des Henkels mutet beinahe Schwarz an, wodurch die Oberseite und mit ihr der Krug selbst umso heller aufstrahlt. Das Aufstrahlen der Gegenstände im Sonnenlicht wird auch bei der Bank sichtbar. Als Komplementärphänomene zu den Schattenzonen sind an den Brettern der Sitzflächen Lichtkanten zu sehen und der obere Fuß der Bank strahlt gänzlich im Licht auf. Für diese Lichtintensität aktiviert von Volkmann das helle Weiß des Malgrundes.
Durch die Darstellung der Gegenstände im gleißenden Sonnenlicht führt von Volkmann bildnerisch vor, dass eben diese Lichtqualität nur im Freien präsent ist. Und dieses Licht führt zu einer neuen Sicht auf die Gegenstände selbst. Der Krug auf der Bank wirkt wie ein zufälliges Arrangement, als ob der Künstler des Weges kam, diesem nicht intendierten Stillleben ansichtig wurde und es voller Faszination festhielt. Und dieser Faszination wohnt ein Erkenntnismoment inne, der sich auf die Gegenstände selbst bezieht. Erst ihr helles Aufstrahlen im Sonnenlicht offenbart ihr eigentliches So-Sein. Damit lässt das Sonnenlicht die Gegenstände gewissermaßen zu sich selbst kommen. Durch das im Atelier nicht gegebene Sonnenlicht erhält das Stillleben folglich eine ganz neue Realitätsdimension, die sich auch in den vom Sonnenlicht durchwirkten Farben niederschlägt: Die Bank und der Krug stehen in einem harmonischen Grau-Rosa-Kontrast zueinander, der vom Grün der angedeuteten Wiese hinterfangen wird.
Zur Hervorhebung des Kruges als zentralem Bildgegenstand gehört auch, dass das Aquarell nicht vollständig ausgeführt worden ist. Dieses non finito schreibt dem Bild eine Prozessualität ein, die verdeutlicht, dass etwas Prozesshaftes dargestellt worden ist, dessen Temporalität künstlerisch auf Dauer gestellt wurde. Daher hat von Volkmann das Bild signiert und auf den Monat genau datiert.
zum Künstler
Bereits als 14jähriger unternahm von Volkmann erste künstlerische Versuche. In einer Vielzahl von Aquarellen stellte er seine Hallenser Heimat dar. Dies legte die Grundlage für seine spätere Freilichtmalerei.
1880 wurden die autodidaktischen Anfänge mit der Aufnahme in die Düsseldorfer Kunstakademie professionalisiert. Dort studierte er bis 1888 bei Hugo Crola, Heinrich Lauenstein, Johann Peter Theodor Janssen und Eduard von Gebhardt. Anschließend wechselte von Volkmann an die Akademie Karlsruhe, um dort bis 1892 Meisterschüler von Gustav Schönleber zu werden.
1883 kam er auf Anregung seines Studienfreundes Adolf Lins erstmals nach Willingshausen, der ältesten Malerkolonie Deutschlands. Über 25 Jahre hinweg sollte er immer wieder dorthin zurückkehren und zeitwiese auch dort wohnen, um sich ganz der Freilichtmalerei zu widmen.
Schnell wurde von Volkmann zum gefragten Landschaftsmaler, der Einzug in die deutschen Museen hielt. 1902 wurde er Professor und ab 1906 war er Vorstandsmitglied des Deutschen Künstlerbundes. Durch seinen Vater, Richard von Volkmann, hatte er zudem eine Affinität zur Buchillustration. Unter dem Pseudonym Richard Leander hatte der Vater die vielfach aufgelegten, erstmals 1871 erschienenen „Träumereien an französischen Kaminen“ veröffentlicht, die sein Sohn – unter einer Vielzahl anderer Werke – illustrierte.
„Seine am Realismus und Naturalismus geschulten künstlerischen Ausdrucksmittel bereicherte er im Lauf der Jahre durch Einflüsse des Jugendstils sowie anderer moderner Tendenzen und verstand es, objektive Naturbeobachtung in subjektive Stimmungsbilder zu überführen.“
- Heinz Bischof
Auswahl an Einzelausstellungen
1928 - Gedächtnisausstellung mit dem Frühwerk Hans von Volkmanns, Halle a. S.
2021 - Hans Richard von Volkmann. Landschaften, Kunsthalle in Willingshausen
Auswahlbibliographie
Dorit Litt: Das künstlerische Schaffen des Landschaftsmalers Hans Richard von Volkmann, 1860 - 1927, Bonn 1996.
Bernd Küster: Hans von Volkmann, Bremen 1998.