Wijsmuller, Jan Hillebrand (1855-1925), Spätsommerliche Flusslandschaft
Jan Hillebrand Wijsmuller(1855 Amsterdam - 1925 ebd.), Spätsommerliche Flusslandschaft , Öl auf Leinwand, doubliert, 34 x 56 cm (Innenmaß), 43 x 64 cm (Rahmen), rechts unten mit „J[an] H[illebrand] Wijsmuller“ signiert.
- in gutem Zustand, der Rahmen mit vereinzelten bestoßenen Stellen
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- Realistische Impression -
Das panoramaartige Querformat zeigt eine Flusslandschaft, wobei der nach rechts geschwungene Flusslauf den Blick in die Tiefe des Bildes hineinführt und dazu verleitet, die Landschaft in der Vorstellung über den sichtbaren Bereich hinaus fortzusetzen. Dass sich die Landschaft durch die Biegung des Flusses entzieht, konzentriert unseren Blick aber zugleich auf den präsentierten Landschaftsausschnitt im Ganzen, ohne dazu angespornt zu werden, entfernte Details fokussieren zu wollen. Dementsprechend ist auch der Pinselduktus nicht darauf angelegt, Details in einer realistischen Präzision zu gewahren. Im linken vorderen Bereich des Flusses ist gar eine ganz freie, vom Impressionismus geschulte Pinselführung zu gewahren, die dennoch dem Gegenständlichen verpflichtet bleibt und überzeugend die Bewegung des Wassers suggeriert.
Unabhängig von der dargestellten Entfernung des Betrachters ist das ganze Bild in demselben breiten Pinselduktus gehalten, wodurch die Landschaft als ein Eindruck, also als Impression gegeben ist. Und doch ist die Impression nichts Ephemeres, wie dies – überspitzt formuliert – im französischen Impressionismus der Fall ist, sie erschließt uns in ihrer Reichhaltigkeit das Wesen der Landschaft. Daher ist die niederländische Variante des Impressionismus immer zugleich auch ein Realismus, wodurch die Bilder freilich weniger progressiv erscheinen, dafür aber weiterhin eine Dimension der Landschaftsmalerei enthalten, die mit der Progression verloren geht.
In der Impression wird die Realität der Landschaft offenbar und dies geschieht, indem wir im Seheindruck die Landschaft erleben. Um das Landschaftserlebnis zur vollen Wirkung kommen zu lassen, stellt Wijsmuller keinerlei Häuser oder Menschen dar. Zunächst wird das Erlebnis vom Fluss bestimmt, der nicht – unserer Blickrichtung entsprechend – ins Bild hinein, sondern auf uns zu fließt. Dort, wo die Krümmung des Flusses einsetzt, ist das Wasser durch eine Stromschnelle aufgewühlt. Zu uns hin weitet sich das Flussbett und das Wasser kommt zur Ruhe, so dass es wie ein Spiegel die ganze Breite des Bildvordergrundes durchmisst.
Das Zur-Ruhe-Kommen des Wassers entspricht der Abendstimmung der spätsommerlichen Landschaft, in der sich das warmtonale Abendlicht mit den Gelb- und Brauntönen der Pflanzen vermählt. Eine vom Pinselduktus mitgetragene sanfte, beinahe idyllische Realität, die dennoch von einer ebenfalls durch den Pinselduktus sichtbar gemachten Lebendigkeit beseelt ist. Die breiten dynamisch gesetzten Pinselstriche evozieren eine Bewegtheit der Baumkronen und vitalisieren auch das unbewegte Schilf, während die in weißen virtuosen Strichlagen ausgeführten, wie Markierungen wirkenden Stämme am rechten Ufer das Sonnenlicht zum Aufleuchten bringen. Auf der anderen Uferseite breitet sich ebenfalls ein Lichtteppich aus, dessen energetische Wirkung abermals im Pinselduktus zum Ausdruck kommt. Zur Dynamik der Landschaft gehören auch die sich ergänzenden Farbkontraste, die Grün-, Gelb- und Brauntöne einerseits und das Blau des alles überspannenden Himmels andererseits. Ein Kontrast, der durch die Spiegelung im Wasser zusätzlich intensiviert wird.
Das abendliche Zur-Ruhe-Kommen der Landschaft ist also zugleich eine allumfassende kontrastreiche und dennoch in sich harmonische Bewegtheit. Diese Realität wird uns in der Impression der Landschaft als Erlebnis zugänglich.
zum Künstler
Jan Hillebrand Wijsmuller trat 1876 in die Königliche Kunstakademie Amsterdam ein und studierte bei dem innovativen Professor August Allebé, der namentlich für den Amsterdamer Impressionismus einsteht, der auch Schule von Allebé genannt wird.
1877 wechselte Wijsmuller zur Kunstakademie in Den Haag und damit zur Haager Schule , um anschließend sein Studium an der Kunstakademie in Brüssel zu vollenden. In die Niederlande zurückgekehrt, eröffnete Wijsmuller in Amsterdam ein eigenes Atelier.
1883 gewann er den von Willink van Collen gestifteten prestigeträchtigen Förderpreis für junge Künstler, der Wijsmuller zu einem bekannten und gefragten Künstler hat werden lassen.
Er war Mitglied der Societät Arti et Amicitiae Amsterdam sowie der Künstlervereinigung Pulchri Studio in Den Haag.
Wijsmuller zählt zur zweiten Generation der Haager Schule. Hatte Vincent van Gogh die Protagonisten der ersten Generation seinem Bruder Theo gegenüber als „die großen grauen Leute“ bezeichnet, bedient sich die zweite Generation, und dabei insbesondere Wijsmuller, einer deutlich farbintensiveren Palette. Mit seinem Oeuvre ist er ein wichtiger Akteur des niederländischen Impressionismus, dem zweiten Goldenen Zeitalter der Niederländischen Malerei.
Auswahl öffentlicher Sammlungen, die Bilder von Jan Hillebrand Wijsmuller besitzen:
Historisches Museum , Amsterdam / Rijksmuseum , Amsterdam / Stedelijk Museum , Amsterdam / Museum Willet-Holthuysen , Amsterdam / Dordrechts Museum , Dordrecht / Dienst Verspreide Rijkscollecties , Den Haag / Gemeentemuseum , Den Haag / Museum Mesdag , Den Haag / Stadhuis , Den Haag / Goois Museum , Hilversum / Zeeuws Museum , Middelburg / St. Vrienden Museum Noordwijk , Noordwijk / Belasting & Douane Museum , Rotterdam